Gregor Kunz, Ausstellungseröffnung:
Steffen Fischer, Patrizoon, Malerei und Zeichnung, 17. Januar 2019, im Weißen Haus Markkleeberg



Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstfreunde,

was Steffen Fischer tut, ist schnell gesagt, aber nicht schnell erklärt. Er zeichnet und malt, er sammelt und fügt, zusammen unter anderem. Seit Ende der 70er geht das so und immer sind es Weltbilder, die da entstehen. Was ist ein Weltbild? Ein Bild, das Fragen hat und Antworten gibt, überpersönlich, wesentlich. Seine Antworten nehmen die Interessen, Ängste, Wünsche der Fragenden auf – des Künstlers und der Betrachter - und geben sie verändert zurück.
Was ins Bild kommt, muss ihn angehen, sagt Fischer, ebenso aber auch, was dann im Bild ist, das Bild selbst. Mit dem „Schönen“, das sich einen Stoff sucht, könne er nichts anfangen. Sehe er seine Arbeiten an, und sie schauten nicht zurück, sind sie misslungen.
Fischers Themen sind das, was er macht und was ihn macht, auch das seit je: Männer und Frauen in ihren Verschränkungen, die Prägung Patriarchat, das Agieren von Macht, die Gewalt in den Herrschaftsverhältnissen, die Deformationen auf beiden Seiten der Unterwerfung.
Wie sprechen Körper, mit wem und wogegen, wenn sie davon sprechen? Korrekt antwortet ein farbiges Blatt von 1993: „Ich ist eine Gewohnheit“. Ebenso könnte eine Arbeit aus dem Jahr 2001 sprechen, oder eine der Arbeiten hier im Haus heißen. Kraftstrotzende Männlichkeit hockt auf kippenden Stühlen, selbstverschränkte Gestalten zwängen ihr bisschen Ego ins einzig Sichere, die Einfalt, in die Gewalt, Einsamkeiten zerren am Status quo, Macht und Ohnmacht spricht aus allem. Fischer denkt in seinen Bildern, auf eigene Weise dem mythologischen Erzählen sehr ähnlich, sehr nah.

Was mich an Fischer beeindruckt, ist nicht zuletzt diese Stetigkeit als auch Konsequenz. Es gibt Schwankungen in den Anteilen der Malerei und der Zeichnung, es gibt den allmählichen Wandel in den Gegenständen, in den Figuren, die über Jahre in den Serien präsent sind. Was es nicht gibt, ist ein Wechseln der Themen und der Auffassung vom eigenen Tun. Der Umgang mit Farbe, Pinsel, Stift, mit Strich und Kurve, Fläche und Raum sollen nicht Selbstzweck sein. Sie sind, sagt er, „Ableitungen von Moralität“, von Weltsicht. "Die Mittel müssen dienen und das Narrative, die Nacherzählung muss lesbar bleiben. Ich bin Umformer", sagt er, "nicht Schöpfer." Ob letzteres so stimmt, darüber lässt sich streiten – unter anderem darüber, was Schöpfung noch sein kann, nach Gott oder dem Urknall: Schließlich steht jeder auf Schultern, auf älteren Gründen und sehr altem Grund, arbeitet mit dem, was da ist und danach verlangt.
Form, sagt Fischer, ist wesentlich. Sie stellt her und bereit, was das Bild sagen kann. Er habe Verantwortung vor der Form, auch Ehrfurcht. Die Alten, sagt er die wussten, was geht. Heute gebe es die großen Erzählungen nicht mehr, ihre gemeinsame Sprache. Hier spricht ein Wunsch. Ins Bild kommt, was fehlt. Immer gilt: „Wichtige Kriterien in der Malerei sind für mich dann erfüllt, wenn das erzählend Gezeigte in der malerischen Stofflichkeit (Farbe, Raum, Licht, Plastizität) wie selbstverständlich aufgehoben erscheint“.

Fischer hasst Gewalt. Macht braucht Gewalt, Gewalt generiert Macht, also ist es mit Macht das nämliche... „Warum haben Leute das Bedürfnis, auf einem Berg von Leichen zu stehen?“, fragt er mit Elias Canetti: „Leben sie dadurch länger? Da hört es bei mir auf: Ende der Fantasie. Wir sind von Feinden des Lebens umgeben, Feinden des Lebendigen, von Hassern der Geburt. Sie vergessen, wem sie das Leben verdanken, sobald sie die Mützen aufsetzen, die Gürtel umschnallen...“
Die Frage nach Macht und Gewalt steckt in allen seinen Bildfolgen, allerdings in unterschiedlichem Maß und unter verschiedenen Aspekten gesehen, zwischen Komik und Entsetzen. In den Herakles-Folgen ist es der Held oder Soldat an der langen Leine der Götter oder sonst einer Macht, konfrontiert mit dem Weiblichen, der Emanzipation, der Chance zur Emanzipation... In der (hier nicht vertretenen) Stierkampffolge agiert rauschhaft das Töten und getötet werden, nach Fischer Teil des Themas Patriarchat, und seiner Philosophie des Tötens im Dienst der Weltordnung. In der Serie „Die Aufgeklärten“ befragt er das Scheitern, Aufklärung und Antiaufklärung, die „Neue Weltordnung“ des 11. September 2001. Hier schließt der Mythenwechsel mit Marylin Monroe an und der Septemberhimmel auf: eine ausschließende Ordnung im Dienste der Oligarchien, verstellt von leerer Verheißung, einem Engel des Jetzt. In den Bildfindungen zu Leda und Zeus agiert in Kehrung und Umkehrung Ironie, die Ironie der Legenden als Möglichkeit: Hier als Überwältigung, die ins Leere läuft.
Die Komplexe überschneiden sich, was nicht nur in Steffen Fischer begründet liegt, sondern auch in der Natur der Sache. Die Zusammenfügung PATRIZOON sagt eben das: Prägung bis auf den Grund. Im seinem jüngsten Projekt „Paradies der Väter“ stehen Macht und Gewalt dieser patriarchalisch organisierten Welt in hellem Licht, fast nackt. Der Titel ist paradox. Einst stand das Paradies für einen harmonisch gedachten Urzustand, für den angstfreien Anfang, noch weit vor der Spaltung. Doch dieses Väter-Paradies ist Spaltung – in reich und arm, Mann und Frau, schwarz und weiß - eine groteske Verkehrung. Im Zentrum dieses Paradieses steht Angst, die Angst, die auch heute der beste Polithebel ist, die Angst vor Verlust, des Status unter anderem und die Angst um die Existenz, konkret und/oder imaginiert. Das neue Paradies, sagt Fischer, ist das Paradies der Dinge, der toten Dinge. Paradies der Väter heißt auch Zustellen der Welt mit Gütern, heißt verseuchte Böden, vermüllte Meere... Produktion, nicht nach Bedürfnissen, sondern für Profit-, Macht-, Kontrollinteressen. Zerstörer, die sich als Erhalter, gar Schöpfer gerieren. Es ist ein Paradies des Todes.
Die Suche nach einer notwendigen Form für diesen Aspekt des Themas war schwierig und habe gedauert. Kunst muss Rede sein, meint der Künstler. Aber anders als etwa in der Herakles- oder der Leda-Serie war hier mit Herz, Seele, Empathie nichts zu machen. Was blieb, war das gnadenlose Abschildern, ohne jede Sympathie, das Arbeiten vom Kopf her. Das titelgebende Breitbandbild nennt Fischer denn auch nüchtern erzählt, Satire und Mach-Werk, im Sinne des formalen Vollzugs, des Gemachten „im Handwerksburschengeist“. Die Arbeiten, die dem Thema beigeschlossen sind, haben von diesem Geist mal mehr, mal weniger oder auch gar nichts. Die Soldatenköpfe etwa sind noch kalte Beschreibung, aber gewärmt durch Fischers Handschrift: So sieht man aus als Kollateralschaden. Anderes sei noch mehr mit dem Leib gemacht, weniger vom Kopf her – er wäre da mit sich im Reinen.

An sich wäre dieses sich Abarbeiten am Zustand der Welt, dieses sich Aufreiben in der Ablehnung ja kontraproduktiv; es verbrauche zu viel Kraft, sagt Fischer. Mit der Kunst aber komme man darüber hinaus. Kunst habe die Gabe zur Güte, im Sinne ehrlicher Reflektion, auch wenn es schwer, schmerzhaft, bitter ist. In Politik und Wirtschaft, fast überall sonst in der Gesellschaft sind die Partikularinteressen dafür zu groß, zu bestimmend. In der Kunst habe die Selbstreflektion der Gesellschaft noch eine Chance. Denn Kunst muss ehrlich sein. Ohne Ehrlichkeit kein Bild, nur Bebilderung, Illustration, Dekoration.

Damit genug von meiner und des Künstlers Sicht auf die Dinge... Vielen Dank.


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