Gregor Kunz,
Ausstellungseröffnung Tanja Pohl und Tina Wohlfahrth, "Mensch und Maschinen", Freital, Einnehmerhaus, 11.3.12
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstfreunde,
Mensch und Maschine klingt selbstverständlich, vertraut noch aus einem versetzten Fortschrittspathos her, Maschine und Mensch aber lässt eine Drohung mitschwingen, man muss es nur oft genug sagen, also drei oder vier Mal. Die Maschinen, habe ich unlängst einem Klebezettel entnommen, würden uns die Arbeit wegnehmen. Darunter stand: Endlich! Ist es das? Leider nein, denn es stimmt nicht. Maschinen reduzieren Arbeit, der Schwere nach und dem Umfang, aber was da wegfällt, wird umstandslos ersetzt durch Dienste, Funktionen, mechanisches Tun, sinnfreien Leerlauf. Maschinen funktionieren, laufen oder stehen still, ganz nach dem Willen ihres oder ihrer Herren, Schrägstrich: Diener, die Menschen sind, also was? Ein Problem, soviel scheint sicher, das Problem, um genau zu sein.
Menschen machen Maschinen und bedienen sich ihrer, leben von ihnen und mit ihnen, die Maschinen indes, tot wie sie einmal sind, machen es ebenso: Menschen, mit denen sie und von denen sie – ja, was? - leben vielleicht? Wenn einer ausziehen wollte, das Gruseln zu lernen, ich hätte da einen Tip.
Maschinen in Landwirtschaft und Industrien bestimmen, was wir essen und wieviel und damit unsere Zahl – 7 Milliarden, falls sich noch jemand an diese beiläufige Nachricht erinnert, 7 Milliarden Münder und Herzen, Hände und Füße 14 Milliarden, Haare, je nun... Maschinen, Automobile, Flugzeuge und all die Geräte, die der Kommunikation dienen oder sie verhindern, bestimmen unsere Siedlungsformen und unseren Platz darin - Städteplanung hin und Kommunalpolitik her - bestimmen unseren Taglauf und unser Tempo. Für all das gibt es ein menschliches Maß, doch das scheint abhanden. Für all das gäbe es den Menschen als Maß, doch das ist Utopie, genauer: war, ist gewesene Utopie, die still ruht bei den Akten. Herr über seine Zeit und Verfügbarkeit ist wer? Ein gewisser Niemand fürchte ich... Häuser rücken vor in der Ebene, über Berge und Täler Straßen und Brücken in vollem Galopp. Die Menschen, meinte Marx, machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken.
Dennoch scheint, dass der Mensch keine Maschine sei, derzeit als ausgemacht zu gelten, und gleichfalls die Frage, ob das gut sei oder schlecht, als entschieden. Die derzeit grassierende Selbstoptimierung, der allenthalben mehr oder minder lustvoll vollzogene Wirtschaftskonformismus widerspricht dem allerdings, vehement und deutlich, meine ich.
„Der Deinige auf ewig, teuerstes Fräulein, solange diese Maschine ihm zugehört“, lässt Shakespeare seinen Hamlet an Ophelia schreiben und kopfwackelnd, gackernd den Polonius verlesen. Zweihundert Jahre später, als das Weißeritztal alias der Plauensche Grund – schauen sie aus dem Fenster – weithin als eine wildromantische Gegend galt, hieß das Fräulein bei E.T.A. Hoffmann Olimpia und war ein Roboter. „Wild-harrend, in der furchtbaren Rüstung, Jahrtausende...“, zitiert noch einmal 150 Jahre später Müllers Hamletmaschine Hölderlin und zieht die Summe der Differenzen: „Ich will eine Frau sein“; dann: „Ich will eine Maschine sein. Arme zu greifen Beine zu gehen kein Schmerz kein Gedanke“. Sie haben uns, denke ich, und nicht nur beim Wickel. In den letzten zweihundert Jahren hat sich eine Art Symbiose entwickelt und ein labiles Machtungleichgewicht, dem auch individuell nicht zu entgehen ist. Teil von Maschinen ist fast, Teil von Maschinerien ist jeder. Heiner Müller, 1988 zu Shakespeare: „Unsere Aufgabe oder der Rest wird Statistik sein und eine Sache der Computer, ist die Arbeit an der Differenz“.
Kunst erscheint in diesem Licht als ein Reservat, für Vergangenes und vielleicht auch Zukünftiges, das ohne Maschinen freilich nicht zu denken geht und auch nicht sein wird. Sagen wir: ein Reservat des Wissens von der Herkunft des Menschen und seiner möglichen, vielleicht statthabenden Zukunft. Was Kunst sonst immer noch sei und sein soll, eins ist sie jedenfalls nicht: eine Maschine, die zu bedienen ist und damit gut und genug. (Der Kunstbetrieb und der Kunstmarkt sind schon wieder etwas anderes, aber das nur nebenbei: Nieder mit dem Glück der Unterwerfung.)
Maschinen zerlegen Menschen in Funktionen, aber Kunst braucht Menschen im Ganzen, den Künstler und nicht weniger den Betrachter. Es ist eine Aufgabe der Kunst, herauszufinden, wie der Mensch beschaffen ist: Was an ihm Mensch ist, schon oder noch das Soziale, was es heißt Mensch zu sein in dieser maschinengestützten, maschinengenerierten, in dieser durchmechanisierten, durchökonomisierten Welt, in dieser hier also.
Bei Tanja Pohl und Tina Wohlfahrth, den Künstlerinnen, deretwegen wir hier sind, ist dieser Mensch mehrfach, ein mehrfaches Wesen. Als Mensch I und II bis Dortwo und in den Kopfzeilen ist Mensch vorhanden, ein Selbst und ein Geteiltes, Teil der Dunkelheit und Segment, immer anwesend, noch in den Masken, in der Abwesenheit, im Verlust deutlich, auch wenn man ihn nicht sieht... Ein Bild machen heißt mit Wirklichkeit umgehen, weniger kollegial als rivalisierend Wirklichkeit realisieren. Schon weil ohne Sinn schwer zu leben ist.
Wie sie das machen, davon werden sie von mir nichts hören, denn das sehen sie selbst. Nur so viel: Wie es sich gehört, ist auch hier der Zugriff mehrfach, steht die Dunkelheit vor aller Augen im Licht, das gänzlich Menschengemachte in seinen Rechten, mehr oder minder nah bei sich. Diese Arbeit, auch das Abarbeiten an einem wie immer abhandenem sozialen Ganzen, an der abhandenen Utopie, das begründet, glaube ich, die Notwendigkeit von Kunst, macht auch das zeitweilig Befriedigende der Kunst wesentlich mit aus und setzt/richtet ihren Stachel. Wovon sprechen das Schwarz, die schöne Farbigkeit und die konzentrierten Linien der beiden? Gestützt auf die Ressourcen des Unbekannten von unseren Angelegenheiten, ganz Recht!
Ich wünsche der Ausstellung viele Besucher und ihnen einen guten Abend. In diesem Sinne: vielen Dank.
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