Besprechen, das ist das Stichwort

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Wie ein verständiger Mensch weiß, gehören Tölpel nicht in Schadenserwartungsräume und erst recht nicht in die Gastronomie. Erst findet der Tölpel den Weinkarton nicht, dann nicht das Ding wo es rausläuft, den Knopf, den Hebel, was weiß ich... Nach stattgehabter Unterstützungsleistung steht das Glas am falschen Platz und eine Korrektur weiter absurd verlassen in der Gegend. Außerdem sind die Zigaretten alle. Wo bin ich hier?
Die Brille, das 2te Paar Augen, stand einst für besondere Aufmerksamkeit, Alphabetismus oder wenigstens Notwendigkeit. Das scheint endgültig vorbei zu sein. Blind sehen oder wenigstens fehl, befehlen Jahr, Monat, Tag und Stunde. Rechtens ist das Glas verschmiert, verspiegelt, die Trennscheibe. Nenn es November.
Ich bitte dich, wenn du irgendwann der Meinung bist, ich bin ein Arsch, dann sag es mir. Was, o grundgütiger Fuchs, treibt die Materie an falsche Plätze? Der Geist der Zeit kann nur verwirrt sein und deren Stimmung trübe. Die Stimme kommt aus der Nachbarschaft und hat etwas hoffnungslos überzeugendes. Ist es keine Selbsterfahrungsgruppe, dann ist's ein Experiment: Du kommst nicht auf Touren, den ganzen Tag nicht... Melancholie. Nein, bei mir ging es bis Donnerstag.
November macht dumm, wie alles, was zur Eile treibt, in die Hektik und das Vorletzte ist. Etwas wieder gut machen oder nachholen zu wollen gibt es den Buß- & Bettag. Wäre ich Kirchenfürst oder bulgarischer Wanderprediger, wüßte auch ich Bescheid. Du hast keine Ahnung, was da losgegangen ist. Mit 20 Mark kommst du nicht weit. Schade eigentlich.
Der Mensch - Kronkorken der Schöpfung - hat die Wasserwaage erfunden, das Schießpulver und Helmut Schröder hervorgebracht. Es gibt Tage, Wochen, Monate, da erscheint selbst das kaum glaubhaft. Schon halb zwei. Was macht ihr eigentlich hier? Er ist so charmant, er verbringt mit mir den ganzen Abend.
Wahrscheinlich braucht es wirklich den November, um die Ansagen intelligenter Technik, intelligenter Bomben und Landminen in ihrer Trostlosigkeit würdigen zu können. Nicht wirklich; aber die Vorstellung ein selbstsuchender Flugkörper zu sein, verliert doch an Schrecken. Ich bin ein Verdrängungsmensch, total sentimental. Zum 15ten Mal, das packt mich total weg. Ach weißt du, ich könnte mich auf der Stelle weiter betrinken.
In Wahrheit wäre ich gern ein Igel. Igel schlafen im November, träumen von leckeren Speisen, der Igelin und von den langen Beinen Dalí'scher Elefanten, die sie wirklich nie haben werden. Ein Igel mit Flügeln, hinreichend schlau und hinreißend charmant, wirklich, das wär's. Sollte das nicht so toll sein, kann man sich problemlos überfahren lassen. Du bist eine kluge Frau. Wirklich. Arbeiten und nicht verzweifeln.
Wäre es weniger kalt und naß, könnte man den November als Hut tragen, verwegen schwenken und verschwinden lassen wie ein gebrauchtes Papiertaschentuch. Wäre das Telefon bei Verstand oder ich. Aber lassen wir das. Ich bin selten tonlos... (Hinter Kardan stand ein Alien. Es nickte knapp mit seinem häßlichen Schädel, kehrte sich brüsk um und verschwand: Hier nicht!) Besprechen, das ist das Stichwort. Allerdings, die Realitäten haben Wachs in den Ohren und, so stehts zu befürchten, überall sonst auch. Krieg ich meinen Persi wieder? Kann ich zahlen? So sieht das aus.
Am ehesten ähnelt der November einem Sonntag, den zwei Wochentage angesackt und in die Scheiße gedrückt haben. November ist der Monat der klassischen Fehlleistungen. Man sehe sich um oder in die deutschen Geschichte: November-Unternehmungen resultieren eher aus Verzweiflung und werden, tritt Blöd- oder Bösartigkeit hinzu, noch weniger als nie, nie, niemals gut. In Wahrheit erinnert der November an Wirtschaftsbosse, Politiker, Wissenschaftler, Techniker und ähnliche Helden der Effizienz. Am ehesten erinnert der November an einen Kronverschluß unter der Zunge: Halt's Maul. (Gregor Kunz, 2000)


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