Ingo
Kraft hat sein Atelier im Künstlerhaus Loschwitz, ganz oben, hinter der
letzten Treppe. Der Raum ist klein und unspektakulär, das große
Nordfenster fasst mattes Wintergrün, Hangbauten im Anschnitt,
grauviolettes Wintergehölz. "Das gehört zu mir", sagt er, "dieses
poetische Element, das Zeichenhafte in den Dingen..." Ingo Kraft
spricht zurückhaltend und leise, wohl weil er nicht gern über sich
selbst spricht. Spricht er von den Künsten, dann von Wichtigerem: "Die
Welt ohne Poesie ist furchtbar. Poesie ist Verwandlung, dass die Dinge
mehr sind, als sie sind."
Die Dinge in den Bildern ringsum sind harte Linie und weiche Fläche,
gestimmte Farblandschaft auf Blau-Gelb, Rot-Dunkel, Rot-Blau, sind
Strukturen, Assoziationsgebiete und reflektierte Zeit. Einzelstücke
sind selten, es herrscht das Prinzip der Nähe, der Serie. Bilder sind
bis auf weiteres gültige Zwischenzustände und Ausgangsgrund neuer
Arbeit - wenn ich es nicht besser gekonnt habe zu der Zeit, sagt der
Maler - oder ein Endzustand, wie vorläufig immer. Abmalen ist nicht
mein Ding, sagt Kraft. "Ich kann nur aus mir selbst heraus die Dinge
erarbeiten. Was ich erlebe, verwandelt sich mehr und mehr in Malerei.
Die harte Linie und das Weiche sind prägend für alles. Diese Spannungen
sind auszuhalten, die Ambivalenzen im Bild zu bewältigen. Das gelingt
natürlich nicht immer."
Kraft arbeitet in Schichten, die er übereinander legt. Der Prozess,
sagt er, ist wichtig. "Kunst ist Arbeit, sehen, wohin man will mit den
Dingen. Ich erarbeite mir die Dinge, die Mittel, fast systematisch, ich
bearbeite die Dinge so lange, bis sie mir entsprechen. Für mich gibt es
kein unedles Material, man kann auch aus Dreck was machen."
Kunst ist nichts Vorgewusstes. Kraft befragt das Material, hört ihm zu,
baut auf, zerstört und bindet, konfrontiert und komponiert. Sein Ideal
ist das Wachsen der Bilder, das Herausholen der Dinge, die drin sind -
im Bild und in ihm selbst. Das Material ist Partner. "Man muss die
Dinge lieben, mit denen man umgeht. Man muss bereit sein, sich
zurückzunehmen. Das trägt dann auch über Phasen, in denen man nicht so
stark ist. Ich würde es nie probieren zu imitieren... Warum machst du
das jetzt nicht einfach? Das gelingt mir nicht. Wer weiß schon, wann er
wirklich etwas zu sagen hat. Wenn ich das vorher weiß, werden es
Parolen." Wie der Beginn, so ist auch das Ende relativ offen.
"Das-ist-es-jetzt, das kann ich selten sagen, dieses diktatorische
So-hat-es-zu-sein. Das ist ein wesentlicher Punkt, dieser permanente
Selbstzweifel."
Wichtig war und ist für ihn die geistige Auseinandersetzung mit Braque.
Die reduzierte Bildsprache, die Farbigkeit, die kurzen Sätze
faszinierten, hatten mit der eigenen Suche zu tun und korrespondieren
weiter. "Wie jemand die Dunkelheit derart zum Leuchten bringen kann!"
Weiter nennt er Klee und Beckmann, das Bauhaus, Matisse. "Ich bekenne
mich dazu, dass ich immer Leute habe, mit denen ich mich beschäftige.
Wir stehen auf den Schultern von Leuten..." Das zu wissen, ist wichtig.
Voraussetzungslose Kunst gibt's nicht, das blenden die schnellen Märkte
gern aus. Das Neue an der immer wieder entdeckten oder erfundenen
Gegen-Wirklichkeit der Kunst ist das immer wieder andere
Zusammenbringen der Weltpartikel. Getreu der inneren Sicht und im
Dialog mit den Dingen. Haben muss man sie dazu.
Ingo Kraft, der seit 1995 als künstlerischer Mitarbeiter an der
Hochschule für Bildende Künste Dresden arbeitet, sagt von sich, er
könne eigentlich nicht malen. Zu verstehen ist das biografisch. Kraft
ist Jahrgang 49 und hat in den 70ern an der Dresdner Kunsthochschule
Bühnenbild studiert, nicht Malerei. Nach zwei Jahren am Theater Halle
kam der harte Schnitt 1978: "Ich kann keine Maschine in Gang halten,
wenn die nicht will..." Kraft zog sich zurück und versuchte
freischaffend zu leben, restaurierte und begann zu malen. "Die Bilder
entstanden, ohne Druck. Ich habe gemalt, weil ich das brauchte." (Gregor Kunz, 2002)
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