Im Garten des Erfinders
gehen Maschinen um, laufen Maschinenwesen und rennen mechanische Tiere
ums ungefähre Oval und im Kreis. Hier ist nicht der Ort, um zu fragen,
hier, soviel ist sicher, stellen sich Antworten ein wie weiße Kugeln,
die herrlich und mit Freuden platzen. Unzertrennlich geben sich zwei
Seewesen den Strichkuss, ihrem abgeriebenen Abstammungsverhältnis
getreu und in immerwährender kapri- wie inzestiöser Bezogenheit auf den
großen Max E. und seinen Bescheid: Was ist Frottage? Währe mehr drin im
Aquarium, wenn mehr drin wäre? Es sind "die Seitenblicke, welche die
Poesie von der Akademie unterscheiden" (Vítezslav Nezval) und die
archaische Welt zerfällt nicht mit der Erfindung des Rades, sondern
erst, wenn das Rad rollt: In archaische Welten selbstverständlich,
Labyrinthe der roten und schwarzen Töne. Was denn sonst, meine Damen
und Herren!
Mit dem Foyer sind es fünf Räume in der Galerie Mitte, die Roland Staab
mit seinen Bildentdeckungen bevölkert hat, seinen - technisch
gesprochen - 36 Mischtechniken aus Papier, Tusche, Bleistift, Kreide,
Klebstoff, Frottage, Grattage und jeder Menge Neugier.
Links geht es in den Maskengarten, auch wenn nicht jedes Blatt so heißt
oder auch nur Maske ist. Was aber anderes treibt ein Sonnengarten mit
den Brüdern und Schwestern zum Lichte empor: Die eigentlich
Unbeteiligten, ihr Zittern und Schwanken im Nachtzug, die aus dem
Dunklen ins Dunkle heraus. Welcher Garten ist schon wirklich geheim...
Tiere gibt es im Raum der Köpfe gleich zwei Mal. Sphinxhaft zum einen
und verehrt im blauen Restwald vor Gelbem und erhaben blau-rot gebannt
ins Museum aus Schlick: Gott schütze Frankreich. Ihre eigene Galerie
geben die Köpfe, vom dunkel abwesenden unterm Kriegerornat
afrikanischer Erscheinung über das Eckleben der zwei fast gleichen
Brüder - harrend der Dingen in Erwartung - bis zu den Metamorphosen der
Fünf von Elf.
In der Mitte liegt, wie es sich gehört, der Festraum. Diesmal sind es
die größeren Klangerfinder, langgestreckte Figuren in Verhältnissen,
die gut zu tun haben zwischen Blau, Gelb, Schwarz und Rot, damit alles
im Rhythmus bleibt, wenigstens jetzt noch, die nächsten Tage, Wochen,
Jahre... Der Baum für sich und die Figur: Wirft es ihn nicht nächstens
doch noch um? Selbstverständlich ist das unvermeidlich.
Raum Vier schließt auf und an mit der weiteren Nähe der Natur. Geht das
Gegenüber die Experten an, dann drängt es die erfolgreich zusammen,
Kopf an Kopf und Leib an Leib. Vor der Landschaft mit Hasen - Wo? Das
wüssten die Hunde gern - und über beengten Fischen, Schattenbegegnungen
und unter einem weithin schönen Blau. Was bleibt dem automatischen
Luftballonverkäufer weiter nach der Einsamkeit eines Ideenmorgens? Die
Verteilung des Ballons, der ein Kiesel ist, ein Seeigel, eine Galaxis,
eine alte Geldbörse, ein Blick über sieben Tische - aber genau. Oder
Linien und Felder mit Farben drin und Durchblicken, Kratzern und
Kringeln, das Leuchten der Insekten am Himmel und der motorisierte
Irrgarten vegetativer Feinmechanik, die sorgfältig gewählten
Koinzidenzen nach dem Regen... (Gregor Kunz, 2000)
Die Arbeiten von Roland
Staab lassen ein Ganzes ahnen, ein arbeitendes und fortwährend
bearbeitetes Urbild, eine Energiequelle, die Strukturen und Farben
antreibt und verbindet. Seine Bilder sind wesentlich Farbe, Farbe in
kleinteiligen, aufeinander bezogenen Feldern, abgegrenzt als auch
einander in Schichten durchdringend. Die Lineaturen darüber liegen nah
an der Zeichnung, sind Armierung, Handlung und Spur und wieder Malerei.
Flächen, Körper und Strich gehen auseinander hervor und ineinander
über. In den dichten Tafeln und Blättern liegen Prozesse offen und
rhythmisch eingehaltene Momente, ein Geschehenlassen und verfolgte
Absicht. Gelegentlich überwiegt ein Element die anderen oder waltet
scheinbar allein. Scheinbar: Auch was gerade nicht sichtbar ist, wird
gleichsam aufgerufen, ist oft als farblich getilgte Struktur erhalten,
steckt in der Geste.
Die "Zähmung" beispielsweise spielt fast ausschließlich vor sehr hellem
Gelb. Figuren und Elemente stecken in einer braunen Linie, mehr oder
minder dick mit dem Pinsel vorgetragen. Links steht ein Tier im
Gestänge, rechts ragt eine Gestalt überhoch ins Geschehen. Die
Verbindungen zwischen beiden lassen sich als Seile, eine Leiter,
Pflanzen lesen. Das Tier muss nicht Tier sein, ein Zentaur ist möglich,
auch ein Mensch. Die Gestalt wiederum ist Konstruktion, eine
stehengebliebene Mechanik, ihr eigenes Denkmal erstarrter Herrschaft.
Die "Sehnsucht nach P." liegt quer und erinnert an ein eingefriedetes
Labyrinth. Diverse Verwandtschaften des Gelb geben vorn eine
Begrenzung, die rechts wie links als Fassung wiederkehrt. Im Innern
drängen gerichtete Flächen und Formen an- und umeinander: Grün-, Blau-
und Brauntöne, wiederum etwas Gelb und Rot in Spurenelementen. Im Bild
stecken Bilder, je nach Standort des Betrachters. Von fern lässt sich
ein belebtes Geschehen verfolgen, eine Bewegung des Binnenfelds von
links nach rechts. Näher besehen ist das Bild auch Karte oder ein
Organigramm - ein sehr kompliziertes allerdings.
Die nahebei gehängten "Vorstadthäuser" korrespondieren damit. Eine
innen gesetzte Farbfolge gibt es auch hier, desgleichen eine
Bewegungsrichtung. Dicht aneinander gelehnt stehen Grün, Graublau,
Ocker, Weiß, Graugrün, diverse Blaus und Graugelbes aufrecht. Ein Rot
liegt oben quer und bindet. Als Dach gesehen, macht es aus der
Farbfolge einen architektonischen Körper und erklärt das umgebende Gelb
zum Himmel.
In den gestreckten Querformaten des "Unterdessen" erscheinen die
Farbfelder als Figurenreihen in der Art eines Frieses, auch als
Beziehungsgeflecht. Die Figuren drängen sich aneinander wie Passanten,
Parteigänger, Teilnehmer an Etwas; was sie aneinander drängt, scheint
gleichwohl nicht gleichem Begehren, gleichen Wünschen und Zielen
geschuldet. Sehnsucht ist Hunger und eine Metapher menschlicher
Existenz. Was die Farbfeldfolgen jenseits dieser Interpretation sagen -
über den Künstler, über sich und über beides hinaus - sehe jeder
selbst.
Roland Staab ist Jahrgang 47, stammt aus Gotha und lebt in Dresden. Der
Autodidakt hat polygraphischen Maschinenbau studiert und erfüllte bis
1991 die Pflichten eines Maschinenbauingenieurs. (Gregor Kunz, 2007)
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