Im schönen Geistergarten: Wolfgang Petrowsky



"FÜR ARP: 40 schwarze Eier und 120 Blätter" kann als Spielanleitung gelesen werden, als Beschwörung und Anfrage. Hans Arp (1887-1966), der Bildhauer, Maler und Dichter, ist für Wolfgang Petrowsky (geb. 1947) Bezugspunkt und Gesprächspartner, wohl auch eine Trostfigur, ein Hausheiliger. Im Ei steckt immer Anfang, zum Guten wie zum Bösen, sein reales wie metaphorisches Dasein enthält Künftiges. Arp, der vor 40 Jahren starb, hat es oft verwendet, sagt Petrowsky.
Wiederkehrende Elemente in der Arbeit des Künstlers verweisen oft auf seine tiefere Motivation, seinen innersten Antrieb: was wiederkehrt ist nicht erledigt. Petrosky hat graue Steineier sauber mit Zeitungsresten beklebt und sie in fünf Achterreihen auf dünne Drahtständer gestellt. Das entstandene Feld hat etwas von einer Plantage, einer Blumenzucht etwa. Die Zeitungsreste sind teils sehr alt und teils gegenwärtig. Hin und wieder sind Worte zu entnehmen und springt ein Symbol. In der brüchigen Druckerschwärze stecken Nachrichten, Zeichen und Ideologien, auch künftige Geschichte. Die Golfkriege etwa wurden um Öl geführt, haben aber ihre Wurzeln auch in den Weltkriegen.
Die Blätter drumherum sind gleichfalls Collagen, weniger als 120 und mehr, an die 40 Hoch- und einige Querformate zwischen A5 und A3. Eingangs wirken die Collagen als ein Farbenspiel in Weiß, Schwarz, Rot, Braun und Grau, mit etwas Blau und niemals Grün. Das liegt nicht nur an den aufgetragenen, getropften und gespritzten Farben selbst, sondern auch an der oft sehr dichten Schichtung des gerissenen und geschnittenen Papiers. Erst im Nähertreten offenbart sich dem forschenden Blick das Material als sprechender Teil von Etwas - innerhalb wie außerhalb des Bildes - als Bild und Bedeutungsträger. In, unter und zwischen den Farbflächen und Formstücken liegen Fragmente von Drucksachen aller Art, von Illustrationen und Notizen, Worten und Gegenständen, agieren gemachte Dinge und Naturalien und die Schrift selbst. Einiges kehrt auch hier immer wieder: Militäreffekten, Sporen, das Schaf im Fleischerschnitt, Stempelküsse, Schleifscheiben und Federn.
Selbstverständlich spricht auch der Bildfond mit. Die alte Rechnungsblätter oder das unregelmäßig gerissene Papier sind prinzipiell offene Kontrastflächen und ein temporär sicherer Halt für die scharf geschnittenen dunklen Papierstreifen, die scharf gezogenen Linien, die den Bildaufbau armieren. Öfter geht's dabei abenteuerlich zu, knirscht es in den Dreieckskonstruktionen - aber sie halten, was gelegentlich ans Wunderbare grenzt.
Einige Blätter tragen "Landschaft" im Titel und noch mehr sind es. Aber seltsam, nur in einigen Querformaten und einem Hochformat gibt es den Horizont. Dieses Hochformat ist ein tolles Stück: ein Wirbel geborstener Sterne, Orden, gesalbter Worte und Fürze, eine Tagwindhose aus Gold und blauen Mikroben. Sonst ist Landschaft Draufsicht und Erinnern, eine Karte, die den Ort der Utopie enthält, aber nicht nennt. Im Falle Petrowskys dürfte das ein löchrig eingezäuntes Feld höchst disziplinierter Verspieltheit sein, bewohnt von Gespenstern aus vergangener und künftiger Zeit. (Gregor Kunz, 2006)

Mehr unter: Links

zurück