Überall Augen: Maja Nagel



Es ist viel, was Maja Nagel da sehen lässt in der Dresdner Galerie Mitte. Sie nennt es Augenfutter und ausufernd; das trifft es wohl. Das Ufer ist fort, aber der Fluss, darüber hinweg, ist immer noch Fluss und zugleich etwas Anderes. Für sich und in diversen Mischformen über die Wände verteilt, geben Malerei, Zeichnung, Montagen und Collagen (und ein beigesellter Animationsfilm) wieder ein Ganzes, sind Collage und mehr als die Summe der Teile. In der Mitte der Galerie konzentrieren sich die Spielarten der Arbeit noch einmal locker zur Gesamtschau: von der Decke bis zum Fußboden, in äußerster Zerstreuung. Die Art der Hängung erinnert an eine fürstliche Sammlung im Aufbau, die Ausstellung selbst heißt "querfeldein".
Ein Kohleblatt ohne Titel zeigt ein Kind in der Landschaft, hörend. Was hört es? Das Wachsen der Landschaft, das eigene Wachsen, den Windfall und Regen, vielleicht das Rotten der Knochen im Feld. Das Kind ist eine Frau, ihr Instrument die Geige, das Blatt entstand tatsächlich beim Hören. In den kleinen Ölbildern wie in den größeren Mischtechniken wächst es vegetativ, mineralisch, elementar in den Balancen der unter- wie übermeerischen Farbstrukturen, sehr sicher und mit sich im Reinen, oft still. "Offensichtlich gibt's einen Grundklang, gibt es Farben die ich mag, dieses Blau etwa. Ich mach das unbewusst.", sagt Nagel. Kunst ist Praxis, eine Erfahrung, die sich mitteilt.
Das Collagierte ist gelegentlich gemalt und die Malei Collage. In einigen Blättern halten die Dinge zusammen, ohne daß man wüsste wie. Ist es nicht das Weiß, dann ist es wohl ein Wunder. Die Figuren kommen öfter aus dem Umriß und sind mit einfachen Dingen beschäftigt. Sind Mensch und Tier in Varianten und Übergängen, Totem, Tagalb, Nest... "Das Zusammenbringen der Unterschiede, diesen surrealen Zug, den hab ich sehr gerne... Ich weiß eigentlich nicht, was das bedeutet", sagt Nagel. Neben den Figuren stehen Gesichtsfragmente, Zitate der Geometrie und der äußere Blick neben der innere Sicht, immer wieder: Überall Augen.
Ihre Arbeitsweise beschreibt Maja Nagel als widersprüchlich, sporadisch, spontan, konzentriert am Stück, geplant. Eins entwickelt sich aus dem anderen. Zeichnungen kommen, stehen für sich und sind Material. Desgleichen, was ihr an bedrucktem Papier unter die Augen kommt und tauglich scheint. Künstler sind Sammler, wohl in jeder Bedeutung des Wortes. "Dann gibt es Projekte", sagt sie, "auf die ich mich konzentriere. Was du mit der Zeichnung nicht machen musst - da machst du einen Klecks und weißt was es ist. Deshalb arbeite ich gern mit dünner Farbe." Der Fleck ist Möglichkeit und Frage. Was drinsteckte - immer unter anderem - erklärt sich über Striche und Formen, die sie freisetzt. Die Künstlerin wählt im Dialog mit den Dingen, mit Hand und Auge: "Ich schmiere gern, ich brauch was zwischen den Fingern, lasse es fließen. Ich nehme gern alte Farbe, auch klares Wasser - weil's Spaß macht. Ich genieße das ja. Dann quäl ich mich wieder, damit's eine Form wird..."
Maja Nagel kommt aus einer sorbischen Familie, ist Jahrgang 1959 und in Bautzen geboren. Studiert hat sie an der Dresdner Kunsthochschule und längere Zeit in Dresden gelebt, dann ein Stück flussab in Strehla. Derzeit wechselt sie zwischen Berlin und Eula bei Nossen. Das derzeit beliebte Ableiten der Künste aus dem Biographischen lehnt sie ab. Biographien erklären weder die Arbeit noch die Arbeiten eines Künstlers wirklich. Eher ist's umgekehrt. "Ich trete am liebsten hinter die Bilder zurück. Meine Schuhgröße ist uninteressant..." (Gregor Kunz, 2004)

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