Schöne Dinge in schöner
Ordnung, Bilder in Arbeit, warme Holztöne und Weiß, große Fenster und
Obstbäume dahinter, in denen der Frühling rumort. Unten liegt Dresden,
ein hellfleckiges Brausen, das eine Montage ist aus Zeit,
Notwendigkeit, Zufall, Wünschen. Oben in Burgstädtl ist es nicht
anders, nur leiser, übersichtlicher, anders geordnet.
Anton Paul Kammerer ist 1997 hergezogen. In Weißenfels 1954 geboren,
hat er Schriftmaler gelernt in Merseburg und in Dresden Malerei/
Graphik studiert. Gelegentlich hört man noch seinen Heimatdialekt - "Es
stimmt noch nicht, weeste..." - von Dresden steckt viel in seinen
Bildern. Derzeit sind 69 davon in der Dresdner Raiffeisenbank zu sehen,
Collagen mit farbiger Zeichnung und Ölmalerei aus den Jahren 2001-2007.
In den Collagen setzen sich die letzten Jahrzehnte fort, die Malerei
ist Wiederaufnahme und ein Schritt ins Offene.
In den Collagen agieren Malerei und Zeichnung auf, über und mit
Collagiertem, die Gewichtung variiert. Farben setzen bei Kammerer
Emotion um, sind innerer Klang. Sie bestimmen das Blatt, Braun und
Ockertöne vor allem, oft gesteigert in ein Glühen zwischen
Gelb-Sepia-Rot. Blau, Grau, Hell und Dunkel treten hinzu. Begleitend
unterteilt ein Rahmenwerk die Formate in Flächen und Horizonte. Oben
dominiert die Farbe, in den unteren Kammern sitzt das belassene oder
bearbeitete Bildmaterial beieinander - Holzstich, Fotografie, Zeichen,
Schrift - und beginnt simultan und assoziativ zu reagieren.
Etliche Arbeiten haben ihren Anlass in der Musik, in Songs von Dylan
oder in Schumanns Winterreise. Klang wie Text stecken in der Farbe. Bei
Dylan ist's eine assoziative Eruption, das "Fremd bin ich eingezogen...
Fremd zieh ich wieder aus." ist fortgesetzte schrundige Vereisung.
Kammerer mag Lieder aller Art und hat sich lange mit Dylan beschäftigt.
Dylan, sagt er, ist nicht zu illustrieren. "Dann hab ich gemerkt, dass
Dylan und Schumann nicht weit voneinander entfernt sind. Beides hat
eine tiefe Traurigkeit."
Von farbigen Einzeichnungen bestimmte Bilder stellen mittlerweile eine
eigene Gruppe. Die exakt wiedergegebenen Gegenstände stehen hier auf
hellem Grund, der Farbauftrag ist und uraltes Aktenpapier, verklebte
Kanzleischrift. Viele der Blätter haben dabei einen Blick auf die
Dinge, der von ferner herkommt. Den Blick des Botanikers, Kartographen,
Sammlers bei der Vermessung der Welt, als die noch neu war. So ist es
weniger der Gegenstand, als diese Mischung aus Exaktheit und Naivität,
Farbgestimmtheit und Materialästhetik, die den Blättern das Fremde wie
Vertraute gibt. Auf einem Hölderlinblatt etwa ist wenig mehr als eine
Schütte grüner Birnen zu sehen, darüber steht Hölderlins Text "Hälfte
des Lebens". Darunter schimmert verschollene Schrift, ein Nachhall
verstummter Worte, die nichts mehr zu sagen haben, außer: schön. Kann
es sein, dass den Blättern gelegentlich etwas Kälte fehlt, die Distanz
zu den Dingen? Die Frage sei nicht schlecht, sagt Kammerer: " Selbst
wenn ich graublau male, hat das immer noch Wärme". Er könne nicht
anders.
In den Ölbildern überrascht eine gewisse Derbheit des Farbauftrags. Das
Geflecht, das am Ende eine durchscheinende, schwingende Sichtfläche
ergibt, und die hineingesetzten Dinge verraten freilich den gewieften
Collagisten. Viele Bilder sind Landschaft, so imaginär wie real, ihre
Helden sind Reiter, Ballons, Hagebutten, blühende Kirschbäume, der
Fluss, ihr Gegenstand ist die Malerei selbst. Wo sich Himmel und Erde
begegnen, ineinander und in ein Drittes übergehen, dürfte sie ihren
Grund haben. Im Grunde, sagt Kammerer, könne man alles machen, was es
gibt. Schwierig wäre das zu machen, was es nicht gibt - gegenständlich
nicht gibt.
Kammerer hat wenig gemalt in den letzten Jahren, aber das ändert sich
gerade. Mal überwöge Gegenständlichkeit, dann mehr Abstraktes. Da ist
kein Plan, das habe mit seiner Emotion zu tun. Seit er auf dem Land
lebe, sagt er, kommen die gegenständlichen Sujets vermehrt: "Ich hab
wieder Lust Figuren zu machen, Köpfe. Es vermenschlicht sich, so
scheint's. Ich weiß nicht warum, das ist einfach so." Er wolle, sagt
der Künstler, das eine nicht aufgeben und das andere weitertreiben.
Wohin? Das wäre schwer in Worte zu fassen: "Deshalb malt man ja".
(Gregor Kunz, 2007)
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