Jankes Werke stimmen
heiter, ohne dass man gleich zu sagen wüsste, warum. Mit weiten
Abständen ins kalte Festspielhaus Hellerau gestellt, sind seine
hinterlassenen Konstruktionszeichnungen und Modelle ja vor allem eine
ernste Angelegenheit. Auch die vom Berliner Kurator Peter Lang
beigesellten Konstruktionen des belgischen Künstlers Panamarenko
verlieren neben den Fluggeräten und Antriebsaggregaten Jankes viel von
ihrem Witz. Panamarenkos Arbeiten sind ein Spiel mit dem Scheitern und
ein sauber gesetztes Daneben. Ihr Nichtfunktionieren verankert sie
sicher im Kunstbetrieb. Die patinierten Blätter Jankes waren ein Muss,
notwendige Arbeit zur Verbesserung der Welt und sind irrsinnig schön
doch nur, wenn man von ihrer irrationalen Begründung weiß. Den
Kunstverweis wie das Scheitern hätte Janke zurückgewiesen.
Vielleicht ist es die Reinheit der Hoffnung, die sich hier
materialisiert hat, ist es die kindlich ernste Arbeit an der
glaubwürdig guten Zukunft, die berührt und heiter stimmt. Jankes
Raumfahrzeugmodelle sind aus silbern gestrichenem Pappmaché gemacht,
aus Holz- und Blechabfall genagelt, sehen aus Teesiebfensteraugen und
stehen auf Krankenbetträdern - vielleicht ist es auch nur das.
Karl Hans (Joachim) Janke hat sein halbes Leben in der Psychiatrie
verbracht. 1909 in Kolberg/ Pommern geboren, gelangte er über
Großenhain/Sachsen und einen kurzen Knastaufenthalt 1948 in die
Nervenklinik Arnsdorf und nachgehend in die Psychiatrische
Landesanstalt Hubertusburg in Wermsdorf. Die Diagnose lautete
"wahnhaftes Erfinden" und "chronisch paranoide Schizophrenie", der
Zustand des Vereinsamten wird mit "verwahrlost und unterernährt" wohl
zutreffend beschrieben. Ob diese Diagnose eine lebenslängliche
Internierung rechtfertigte, steht dahin. Es ist aber gut möglich, dass
ihm die Klinik das Leben gerettet hat, und sicher, dass sie ihm ein
Leben ermöglichte - das Leben eines rastlos tätigen, wiewohl verkannten
Genies. Ungestört vom Rest der Welt und dem Zwang, Geld verdienen zu
müssen: In dieser Wendung steckt das Drama jeder Kreativität und steht
die Anstalt als Asyl und Ort relativer Freiheit in einem einigermaßen
unheimlichen Licht. Die Anstalt ließ ihn gewähren, bewahrte über 2000
seiner Arbeiten und gab sie in Gestalt des Chefarztes der Psychiatrie
Dr. Peter Grampp im Jahr 2000 an die Öffentlichkeit. Gerrit Gohlke
schreibt im Katalog anlässlich der ersten Janke-Ausstellung im Berliner
Künstlerhaus Bethanien: "Karl Hans Janke war kein glücklicher Mann".
Das wird so stimmen. Janke befand sich gesund und wollte in Freiheit
gesetzt werden. Nur, wie wäre ein anderes und wo wäre dieses Leben
möglich gewesen?
Jankes Universum war eine Eigenfertigung, auf eigener Wurzel gewachsen,
unwirklich wirklich aus Zeichnung und Worten gemacht, in sich stimmig,
feierlich und konsequent. Janke dachte in kosmischen Maßstäben und er
dachte an alles - "Bitte nur für friedliche Zwecke!" beschied er
künftigen Nutzern der "Schnellsten Maschine der Welt". Er verschmolz
Schulwissen und Spekulation, Zeitungslektüre und Beobachtung, Wünsche
und Erkenntnisse zu einer universellen Theorie des Einem im Anderen,
einer Art Evolutionstheorie des Weltalls. In seiner "Lebensfigur"
finden sich Mensch und Tier, Pflanze und Steine, Wolken und
Sonnensysteme gleichermaßen wieder. Zitat: "Wenn unser Sonnensystem
einem Tierkörper vergleichbar ist, in dessen Innerem, den Intarsien,
wir als kleine Mikroben leben, dann müßte unsere Sonne auch ein Herz
haben!" Wie denn anders? Sein "Jankesches Atom" baute auf der Idee der
bipolaren Raumelektrizität und stellte als imaginäre Energiequelle die
Grundlage seiner Raumfahrtprojekte. Dabei zeigen seine Wortfindungen in
gleichbleibender Frische den Gebrauchswert aller Wortfindungen auf -
sie dienen als Henkel zur Handhabe der Welt. Das Manuskript eines
Lichtbildervortrags, der in den 70er Jahren seine Theorien und
Erfindungen zusammenfasste, hat sich erhalten und kann in Hellerau
gehört bzw. im Katalog gelesen werden.
Wo Janke sich selbst sah, belegt eine testamentarische Notiz: "Ich
bitte, die Bilder u. Alben aufzubewahren mit den vielen Zeichnungen und
Modellen, die ich für Euch Menschen geschaffen habe." Er zählte sich
nicht dazu. (Gregor Kunz, 2004)
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